Ach, du dickes Ei! Das erste Spiel der Chiefs in Deutschland
Das Kingdom – Der Newsletter des deutschen Chiefs-Podcast
Wie bewirbt man ein American-Football-Spiel im August 1990 im Berliner Olympiastadion? Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist nur einige Wochen zuvor in Rom Weltmeister geworden, die bekannten Sport-Gesichter sind Steffi Graf, Boris Becker und Katharina Witt. Berlin war nach dem Mauerfall endlich wieder vereint und die National Football League spürte den “Wind of Change”.
Nicht wie erst geplant in Frankfurt, sondern in Berlin sollte das erste professionelle American-Football-Spiel überhaupt in Deutschland stattfinden, entschied der damalige Commissioner Paul Tagliabue. Der aktuelle, Roger Goodell, war übrigens als Praktikant schon beim Berlin-Besuch der Liga dabei. Während die Los Angeles Rams (ja, schon damals zeitweise in LA) einige “American Bowl”-Partien, so hieß das Pre-Season-Event damals, gespielt hatten, waren die Chiefs zum ersten Mal auf internationalem Parkett unterwegs.
Mit großen Plakaten bewarb die NFL das Spiel damals im noch nicht wiedervereinten Berlin: “Ach, du dickes Ei” oder “Wo kann man 160 Millionen Mark für 10 Marken laufen sehen?“ stand auf den Postern, die Lust machen sollten auf den amerikanischsten aller Sportarten. Die Rams & Chiefs spielten am Ende nicht ganz vor 70.000 Zuschauern, die NFL schaffte es aber 55.429 “Fans” in das Olympiastadion zu locken.
Der deutsche Teil des Publikums verstand größtenteils weder die Regeln noch die Positionen von American Football, amüsierten sich aber prächtig beim Tailgating mit Jahrmarkts-Feeling auf dem der Weltmeister im Pfeifen auftrat, Fallschirmspringern im Stadion, Cheerleadern für die TV-Pausen und Hunden, die auf dem Spielfeld in den Halbzeit Frisbees jagten.
Es war der Startschuss für die NFL Europe, die in den Jahren danach in Deutschland und Europa etabliert wurde. Der andere Teil der Zuschauer waren Bewohner der US-Basen in West-Deutschland, der Türkei und Griechenland, die an dem Nachmittag etwas Heimat fühlen durften.
Berlin verändert chancenlose Chiefs
Das genaue Ergebnis war ohne große Bedeutung, das 3-19 schmeckte Chiefs-Owner Lamar Hunt aber bestimmt nicht. Im ersten Jahr unter dem neuen Headcoach Marty Schottenheimer verpassten die Chiefs in der Spielzeit zuvor mit 8-7-1 knapp die Playoffs, verbesserten sich aber im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Da gehörten sie noch mit 4-11-1 zum unteren Teil der Liga. Der Weg sollte wieder nach oben führen, nach Jahrzehnten der Pleiten, Pech und verpatzten Draft-Picks.
Die damaligen Stars des Teams waren Linebacker-Legende Derrick Thomas, Running Back Christian “The Nigerian Nightmare” Okoye und Quarterback Steve deBerg, die aber nur wenige Snaps im Spiel bekamen. Sportliche Relevanz hatte das Spiel nur für die Wackelkandidaten in der Pre-Season, die sich einen Platz im finalen Roster erarbeiten sollten. Am Ende war der Trip nach Berlin mehr eine PR-Nummer als ein echter Wettkampf.
Das wohl eindruckvollste Bild schafften Tight End Jonathan Hayes & Running Back James Saxon in voller Montur vor der grauen Wand der Berliner Mauer. Als dann noch ein kleiner Junge an ihnen vorbeilief, nahmen die beiden Spieler das Kind auf das Knie und gaben ihm den Ball in die Hand. Das damals entstandene Bild wurde im nächsten Winter das offizielle Weihnachtskartenmotiv der Chiefs.
Damals sagte “The Nigerian Nightmare” Okoye nach dem Spiel, dass es “noch viele Jahren dauern wird, bis Football in Europa groß ist”. Knapp 33 Jahre später werden die Chiefs wieder nach Deutschland kommen. Das Interesse und die Preise der Tickets sind seitdem explodiert. Welcome back, Chiefs!