Das Chris-Jones-Dilemma – und die Folgen für die Chiefs
Der Roster-Cut auf 53 Spieler am gestrigen Abend stand vollständig im Licht der Folgen des Holdouts von Chris Jones. Den Chiefs fehlen Optionen, um ihn zu ersetzen und Cap für kreative Verstärkung.
Wer vor einigen Wochen (wie ich) dachte, dass Chris Jones und die Chiefs schon mit der Zeit auf einen Nenner kommen, hat sich massiv getäuscht. Bis zum gestrigen Roster-Cut gab es keine Rauchzeichen aus dem Truman Sports Complex im Arrowhead Drive 1, der Geschäftsstelle und dem Trainingszentrum der Chiefs, direkt neben dem legendären Stadion. Die nervige Situation ist zu einem Dilemma geworden. Eigentlich kann es in der Verhandlung nur noch Verlierer geben.
Der Spieler hat mit kryptischen Nachrichten einen Großteil der Fans gegen sich aufgebracht. Nicht nur unser Fabi hat keine Lust mehr auf Jones, weil der Unruhe und Unsicherheit in die Vorbereitung des amtierenden Super-Bowl-Siegers bringt. Auch viele US-Fans können sich damit anfreunden, dass der defensive Superstar des Teams, der im letzten Jahr seine beste Karriere-Spielzeit mit 15,5 Sacks feierte, das Chiefs-Jersey nicht mehr anzieht. Es wäre nach den glorreichen Leistungen in den vergangenen Playoffs eine Tragödie. Gerade wegen dieser Aussage von Jones auf Twitter nach dem Super Bowl:
Während in den ersten Wochen des Trainingscamp noch Fans, Coaches und Mitspieler gute Miene zum bösen Spiel gemacht haben. Die Leistungen und Relevanz von Jones in den Vordergrund gestellt haben, wurden die Kommentare immer weniger und wenn dann frostiger oder eben professionell glatt. Keiner scherzt mehr oder erwartet, dass Chris Jones in Top-Form zum Team stoßen würde. Immer wieder hat er mögliche Deadlines gerissen und sich mit Songs, Zitaten oder seiner Liebe zu Gott auf Social Media präsentiert.
Für ihn ist auf der einen Seite klar, dass er auf der einen Seite “fair” bezahlt werden will – und fair bedeutet, dass er in der budgetär in der Nähe von Aaron Donald von den LA Rams landen möchte, der als einziger Spieler auf der Position über 30 Millionen pro Annum verdient. Und auf der anderen Seite nicht zum Team zurückkommt, bevor das passiert. Der späteste Zeitpunkt dafür ist bis Woche 8. Dann zählt die Spielzeit noch als rechtlich absolviert und sein Vertrag verlängert sich nicht um ein Jahr. Dadurch wäre der Cap-Hit aber deutlich niedriger (P und eine Franchise-Tag in der kommenden Saison kommt in Betracht.
Verhandlungen oder doch Erpressung?
Das Problem dabei? Die Chiefs können gar nicht mehr ganz auf Jones und seine Agenten, die Katz Brothers, zugehen, weil es sich aktuell wie eine Erpressung anfühlt. Wenn Jones damit durchkommt, können im nächsten Jahr weitere Leistungsträger so versuchen, an ihr Wunschgehalt zu kommen. Das werden GM Brett Veach und das Front-Office nicht zulassen. Wie können beide Seiten dann zu einer Lösung kommen?
Schon 2020 waren die Verhandlungen zwischen den Agenten von Jones und den Chiefs langwierig und kompliziert. Damals wurde bekannt, dass erst Bewegung reinkam als Mahomes seinem Teamkollegen nach dessen eigener Vertragsverlängerung über zehn Jahre eine Nachricht schrieb und ihm mitteilte, dass er auf Geld verzichtet hatte, um in den kommenden Jahren weitere Titel zu gewinnen. Damals war Jones zuversichtlich und ist den Chiefs auch ein bisschen entgegen gekommen.
Das scheint in 2023 fast unmöglich zu sein. Chris Jones hat sich geärgert, dass sein Kumpel Frank Clark nicht verlängert wurde und zum Division-Rivalen nach Denver wechselte und seine Leistungen nicht vollumfänglich wertgeschätzt werden. So möchte er scheinbar das Maximum rausholen und so lange er die Meinung hat, solange wird es keinen Deal geben.
Sind die Agenten ein Problem?
Auch die Rolle seiner Agenten ist nicht ganz einfach. Die Katz Brothers haben mit Demarcus Robinson und Byron Pringle zwei weitere Ex-Chiefs-Spieler vertreten, die keinen Vertrag beim Team auf KC bekommen haben. Auch die anderen Akteure der Agentur sind nicht wirklich erfolgreich: Olamide Zaccheaus, T.Y. Hilton, Keith Kirkwood, Jordan Mason und Chandon Sullivan werden keine großen Verträge abwerfen und haben selten mehr als knapp eine Million USD in ihrer Karriere verdient.
Die Katz Brothers brauchen einen erfolgreichen Deal mit Chris Jones für ihre Reputation und für ihre Einnahmen. Auch deshalb können sie so hart und auf einen “Sieg” in den Verhandlungen erpicht sein. Nicht unwahrscheinlich, dass auch solche Themen mit in die Gespräche reinfließen.
Was können die Chiefs machen?
Aktuell sind die Optionen des Teams relativ überschaubar. Ziel muss es aktuell sein ohne Chris Jones den Saisonstart zu planen. Die eigene Position zu stärken und kompetitiv zu sein, um nicht mit Niederlagen in die Saison zu starten. Schon 2018 hatte Patrick Mahomes eine grauenhafte Defensive (27. Platz aller NFL-Teams) und war erfolgreich. Das wird er auch dieses Jahr schaffen. Der Saisonstart gegen die Lions, Jaguars, Bears, Jets, Vikings und Broncos ist dankbar. Mit den Chargers würde in Woche 7 ein wichtiges Duell mit großen Auswirkungen auf die Division anstehen. Da wäre Chris Jones - Stand jetzt – noch nicht im Team.
Ersetzen kann man einen Starspieler wie Chris Jones bis dahin nicht. Mit dem Trade von Neil Farrel hat man die Positionsgruppe verstärkt und für Ersatz gesorgt, gleichzeitig hat man sich von Danny Shelton getrennt, der trotz körperlicher Verbesserung dem Team nicht gereicht hat. Außerdem wurden im Roster mit Matt Dickerson, Tershawn Wharton, Derrick Nnadi und Rookie Keondre Coburn gleich fünf Defensive Tackle neben Farrel nominiert. Davon könnte “Turk” Wharton Jones am besten “ersetzen”. Wenn er denn fit ist.
In Woche 7 kommt der suspendierte Neuzugang Charles Omenihu zurück. Dem würde ich am ehesten die Rolle des Unruheherds aus der Mitte zutrauen, der zwei Linemen der Offensive wie Chris Jones bindet und trotzdem für Pressure sorgt.
Taktik: Blitzen, blitzen, blitzen
Eine andere Strategie ist auch auf dem 53er-Roster ersichtlich: Defensive Coordinator Spagnuolo ist bekannt für kreative Blitz-Konzepte, die mit dem stabilen Defensive Backfield der Chiefs funktionieren könnten. Dafür haben es inklusive der größten Kader-Überraschung, Cam Jones, gleich sechs Linebacker in den Kader geschafft. Nicht ohne Grund! Sie können dynamisch den Pass-Rush unterstützen und gegnerische Quarterbacks jagen. Das ist riskant, weil die zweite Defensivreihe unterbesetzt sein würde, aber kann funktionieren.
Jetzt ist schon klar, dass zwei Prinzipien wichtig werden: Bis Woche 7 durchhalten und ab Woche 8 zur Höchstform auflaufen. Und: Mehr Risiko eingehen, um defensiv erfolgreich zu sein. Das kann gerade gegen unsichere Offensiven und Playcaller (Lions, Bears, Vikings) funktionieren. Gegen Reid-Intimus Doug Pederson, QB-Altstar Aaron Rodgers und Sean Payton wird man so voraussichtlich wenig Erfolg haben. Aber das werden wir früh genug herausfinden.
Wie aus dem Problem eine Chance wird
Möglicherweise gucken wir im März, fast wie im letzten Jahr, zurück und stellen fest, dass der Eisenregen für die jungen Wilden der Defensive Line wie Felix Anudike-Uzomah, George Karlaftis, Keondre Coburn, Neil Farrel oder BJ Thompson dazu geführt hat, dass sie wachsen konnten und zu Leistungsträgern wurden.
So war es in 2022 im Defensive Backfield, wo gerade die Rookies in entscheidenden Momenten zu den Hauptakteuren wurden. Alles möglich und der perfekte Outcome. Meine Meinung: Ich bezweifle es persönlich etwas. In der Preseason sah es zumindest nicht so aus also ob wir eine unfassbar produktive defensive Front haben.
Letzter Ausweg Trade?
Was macht man als Team und als Spieler, wenn in den verfahrenen Verhandlungen das Tischtuch wirklich endgültig zerschnitten wurde? Wahrscheinlich würde es einen Trade geben. Das hätte für beide Seiten Konsequenzen: Die Chiefs würden möglicherweise zwei bis drei hohe Draftpicks bekommen, die in den nächsten Jahren interessant wären, Soforthilfe gibt es aber nicht. Dafür würde viel Salary-Cap freiwerden – ob man adäquaten Ersatz findet? Fraglich!
Trade-Kandidaten gab es gestern dann schon gleich einige in den Medien. Die Chicago Bears wären interessiert liest man, lokale Reporter sahen die Seattle Seahawks als Kandidaten und aus Cap-Sicht wären auch die Houston Texans und Detroit Lions möglich. Titelkandidaten? Eher Mangelware! Chris Jones könnte woanders viel Geld verdienen, bestimmt mehr als beim aktuellen Super Bowl-Sieger. Ein weiterer Ring ist dann nur schwer vorstellbar. Aber wer weiß das schon…
Zuerst einmal danke für deine umfänglichen Newsletter. Diese bringen immer alles perfekt auf den Punkt.
Was CJ betrifft, ich denke er hat gezeigt auf was er Wert legt. Das passt nicht zu der Mentalität eines PM oder TK, die Titel über alles stellen. Wenn wir jetzt soviel Geld in CJ investieren gewinnen wir vielleicht noch einen Titel. In den Folgejahren sind wir aber im capspacedillema, was uns alle Chancen nimmt. CJ hat vielleicht noch ein Jahr, evtl.zwei.
Vielen Dank für deinen super Artikel.
Du sprichst da glaube ich vielen aus der Seele. Bin schon von Anfang an genervt von diesem Getue. Für immer Chiefs ( aber nur wenn ich viel mehr Geld bekomme) sowas kann ich leider nicht ernst nehmen. Mittlerweile bin ich wirklich soweit, dass ich ihn nicht mehr bei uns sehen möchte.
Das Geld ist er einfach nicht mehr wert.
Wir haben ein starkes Team & werden auch diesen eventuellen Abgang kompensieren & weiter um Titel spielen.
Go Chiefs!!!