Rival Review: Raiders-Zielsetzung "Besserwerden"
Der zweite Blick auf die Konkurrenz landet in Las Vegas. Die Raiders sind wohl der größte Rivale unserer Chiefs und das Team von Owner Mark Davis hat auf der Position des QB einen Neuanfang gewagt.
Die Ära von Josh McDaniels fühlt sich nach einer Saison eher wie ein Missverständnis an. Nach der Trennung von Jon Gruden im Vorjahr erreichten die Raiders noch überraschend die Playoffs mit McDaniels und Carr wurde es eher ein Desaster in 2022/23. Was kommt jetzt? Darauf gibt uns Podcaster und Blogger Patrick von LocoFootball einen spannenden Einblick.
Die letzte Saison
Nach dem Trade für Davante Adams im letzten Sommer, sowie neuen Verträgen für unsere wichtigsten Leistungsträger (Crosby, Carr, Renfrow & Waller), sollte die Richtung unter dem neuen „Regime“ (McDaniels & Ziegler) klar sein: Die Raiders wollten bereits letzte Saison an ihre alten Leistungen (10-7 im Vorjahr unter Rich Bisaccia) anknüpfen – und gewinnen.
Der Hype war groß, doch bereits schnell sollte klar werden: die Erwartungen, insbesondere an unsere nur spärlich verstärkte Defense, waren zu hoch. Und spätestens nach der siebten Niederlage im neunten Spiel waren die Schwächen nicht mehr wegzudiskutieren. Headcoach Josh McDaniels, sowie einige Stützpfeiler des Teams gerieten immer mehr in die Kritik, auch, weil man es in sechs Spielen schaffte, komfortable Führungen zu verspielen – bzw. „den Sack nicht zumachen“ konnte.
Obwohl einige Stars eine grandiose Saison (Jacobs, Adams, Crosby) spielten, reichte es am Ende nur zu einer 6:11-Bilanz. Die Aufstockung und Weiterbildung des Kaders war damit rückblickend eher als ein Rebuild und Neuanfang zu verstehen und nicht wie das von „McZig“ (McDaniels & Ziegler) propagierte Anknüpfen ans Vorjahr.
Die Chemie stimmte nicht, und dies aus zwei Gründen: Einerseits schienen einige Spieler überfordert zu sein mit dem neuen System, das McDaniels aus New England mitbrachte, weswegen auch lange Zeit vom „Patriot Way“ gesprochen wurde. Andererseits lag es wahrscheinlich auch an der Person McDaniels, die in Fankreisen auch im zweiten Jahr als umstritten gilt.
Am Ende der Saison waren die Schuldigen schnell gefunden und es kam, was überfällig war. Die Raiders trennten sich nach neun (!) Jahren von ihrem Quarterback Derek Carr und ersetzten auch in der Off-Season einige Spieler der „alten Garde“, was einerseits einen gewissen Culture Change zu begünstigen scheint, andererseits aber auch die Frage offen lässt, ob McDaniels genügend Weitsicht besitzt, mit „seinen Guys“ erfolgreich sein zu können. Die Off-Season stand daher im Zeichen der Quarterback-Suche und der Aufwertung der Defense.
Die Off-Season
Die Gerüchte um Tom Brady nahmen in der Off-Season kein Ende. Hängt „The GOAT“ noch ein Jahr dran? Könnte er sich mit seinem alten Offense Coordinator aus New England unter neuer Flagge vereinigen? Klar war, McD sucht einen Quarterback, der in sein System passt. Gefunden hatten ihn die Raiders dann kurz nach Bekanntgabe von Bradys Karriere-Ende in der Person Jimmy Garoppolos, mit dem man nun in die Saison startet.
Das größte Manko, seine Verletzungssorgen, sind aktuell kein Problem und er gilt als 100% fit. Der erste Schritt für eine erfolgreiche Offense war getan, aber auch die Defensivabteilung wurde verstärkt: Im Draft holten die Raiders dafür unter anderem den talentierten Pass Rusher Tyree Wilson (1st Round, Pick #7), den aufstrebenden Run Stuffer Byron Young (Runde 3, Pick #70) und bedienten sich in Runde 4 am Rohdiamant Jakorian Bennett von Maryland.
Das jüngste Signing stellt CB Marcus Peters dar. In ihm haben die Silver&Black wohl ihren Starter gefunden und auch der aus Philadelphia kommende S Marcus Epps, sowie CB Duke Shelley, der aus Minnesota kam, dürften dem Backfield mehr Sicherheit geben. Auch in der Offense stellte Vegas das Grundgerüst zusammen. 2nd-Round Tight End Michael Mayer war vielleicht DER Value-Pick des gesamten Drafts und mit Jakobi Meyers, DeAndre Carter und Philipp Dorsett erlebte das Receiving Corps nochmals ein Upgrade.
Die wichtigsten Neuzugänge
Jimmy Garoppolo, QB // 3 Jahre, 72.75 Mio.$
Jakobi Meyers, WR // 3 Jahre, 33 Mio.$
Marcus Peters, CB // 1 Jahr, 3 Mio.$
Marcus Epps, S // 2 Jahre, 12 Mio.$
Tyree Wilson, Edge -> via Draft
Michael Mayer, TE -> via Draft
Interessant im Hinblick auf den Long Term-Plan ist mit Sicherheit die Personalie Aiden O’Connell: der in Runde 4 gedraftete Quarterback aus Purdue soll im Idealfall irgendwann die Geschicke des Teams leiten und bekam bereits positives Feedback. Der neue Tom Brady für McDaniels? So weit will noch niemand gehen, aber McD’s Zeit in New England veranschaulicht: er hat das Zeug, junge Quarterbacks zum Erfolg zu führen (siehe u.a. Garoppolo oder Mac Jones). Die RaiderNation würde es ihm danken.
DAS Thema der Off-Season war allerdings Josh Jacobs. Vor der letzten Saison verpassten es die Raiders, ihn mit der 5th-Year-Option zu belegen, nach der abgelaufenen Spielzeit wollten sie ihn daher unter dem Franchise Tag auflaufen lassen. Beide Seiten konnten sich nicht einigen, obwohl Vegas Jacobs gerüchteweise 12 Mio. $ bot. Ein Holdout ist dennoch unwahrscheinlich und wir hoffen, Josh bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen. Immerhin holte er letztes Jahr über 2.000 Yards und führte die Liga in Rushing Yards mit 1.653 (12 TDs) an.
Insgesamt herrschen Skepsis und Aufbruch-Stimmung in unserem Lager. Als Raiders Fan ist man nach etlichen Hype Moments über die Jahre doch etwas vorsichtiger geworden. Vielleicht kann McDaniels aber das Ruder rum reißen und in seinem zweiten Jahr einen insgesamt tiefen Kader mit Talent so langsam ins Rampenlicht führen.
Die wichtigsten Abgänge
Derek Carr, QB -> New Orleans Saints
Darren Waller, TE -> New York Giants
Denzel Perryman, LB -> Houston Texans
Rock Ya-Sin, CB -> Baltimore Ravens
Mack Hollins, WR -> Atlanta Falcons
Die Vorschau auf die Saison 2023/24
Bei aller Kritik an McDaniels: Einige Auftritte der Raiders verhießen, dass ordentlich Potential im Team schlummert. Obwohl die Erwartungen etwas heruntergeschraubt wurden, sind wir doch gespannt, wie McDaniels nun mit „seinen“ Guys agieren will.
Das Sorgenkind der Off-Season 2022, die Offensive Line, bewies, dass sie durchaus stabiler und tiefer daherkommt, als man ihr es zugetraut hätte. Wenn Jimmy Garoppolo verletzungsfrei bleibt und Josh Jacobs für uns spielen wird, glaubt eigentlich keiner mehr an ein totales Versagen.
Als Positives der letzten Saison nehmen wir die Entwicklung vieler Einzelspieler mit. So hoffen wir auf Breakouts einiger under-the-radar Spieler und das Wiedererstarken von Leistungsträgern, die im letzten Jahr etwas untergingen. Damit sind beispielsweise unser Undrafted 2nd Year Slot Tyler Hall und unser Dawg Nate Hobbs, sowie unser Linebacker mit dem geilsten Namen der Liga, Divine Deablo, gemeint, die enormes Potenzial aufweisen. Oder der enttäuschende Trevon Moehrig, der nach seiner phänomenalen Rookie-Saison sichtlich überfordert vom neuen System war, jetzt aber wieder mehr Liebe bekommen soll.
Für mich die größten Fragezeichen bleiben die Defensive Line und die Linebacker. Chronisch underrated, könnte man über sie sagen. Seit Jahren besitzen die Raiders hier keinen Elite-Tier Defensive Tackle oder LB, die Rotation ist entscheidend und die Hoffnung, dass hier jemand über sich hinaus wächst. Rotation und Rationalität, so kann man das Teambuilding der Raiders beschreiben. Und rational sehe ich auch unseren Outlook. Wir haben uns verbessert. Ob wir es aber bis an die Spitze der AFC (West) schaffen? In diesem Jahr definitiv (noch) nicht!
Meine Prognose: 9-8 sagt mein Herz, 8-9 meine Erfahrung
Kurz-Interview mit LocoFootball:
Das Kingdom: Moin Patrick, stell LocoFootball doch einmal vor.
Patrick: LocoFootball ist ein Solo-Projekt für Raiders-, NFL- und CFB-Fans, das in dieser Saison ins dritte Jahr geht und den deutschen Raiders-Fans einen Podcast, sowie etwas Lesestoff bieten soll. Zudem kümmere ich mich jährlich um das Geschehen im NFL-Draft, weswegen der Projekt-Slogan „Raiders, Draft & More“ auch immer mitgedacht werden sollte. Das Projekt besteht vornehmlich aus dem LocoFootball Podcast und meiner Homepage www.locofootball.tv.
DK: Was für Inhalte können Raiders-Fans von dir erwarten?
Patrick: Thematisch gibt es neben aktuellen News das, was die Raiders-Community am meisten beschäftigt, im kommenden Jahr sind auch etliche Gäste in Planung und auf der Homepage könnt ihr zudem allerlei weitere Ergüsse lesen. Schaut gerne mal rein! Intention war es, nach fast 30 Jahren Liebe zum Spiel und über 20 Jahren als Raiders Fan, dem Sport und meinem Team etwas zurückzugeben. Daraus hat sich mittlerweile eine nette Community entwickelt, die aus weiteren Raiders Diehards besteht. Obwohl ich persönlich eher als Einzelkämpfer agiere, sei darauf hingewiesen, dass es auch in Deutschland eine nicht kleine Raiders-Community gibt, die teils auch in Fanclubs organisiert ist. RaiderNation everywhere! Ich hoffe, wir werden in den nächsten Jahren noch größer und sehen nach langer Durststrecke endlich erfolgreiche Zeiten im (immer noch) neuen Zuhause in Las Vegas!
DK: Danke dir für die Vorstellung des Teams!
Patrick: Ich danke euch, dass ich teilnehmen konnte und freue mich auf eine spannende Division-Rivalry und viele spannende Matches! Ich persönlich hege natürlich starke Abneigungen gegen die Chiefs, da bin ich ganz oldschool und ehrlich! Dennoch: Für den deutschen Fan-Kosmos finde ich es unentbehrlich, sich zusammen zu finden und ich wünsche euch auch für die Zukunft alles Gute mit eurem Projekt. Oder, wie ich in meiner Zeit als aktiver Footballer immer sagte: Fair Game!
Zum Podcast: