Das tat dann gestern doch etwas weh, als die Nachricht über den Äther ging: JuJu Smith-Schuster verlässt die Kansas City Chiefs und schließt sich den New England Patriots an. JuJu hat sich in der letzten Saison den Platz in unseren Herzen erkämpft, er ist trotz Knieproblemen im Super Bowl zurück auf das Feld gekommen und hat gezeigt, wie wichtig er als Anspielstation, Blocker und Route-Runner für diese Offense ist. Jetzt fängt er in der kommenden Saison die Bälle von Mac Jones anstatt von Patrick Mahomes.
Doch nicht nur JuJu, sondern auch Khalen Saunders, Spitzname Binky, verlässt das Team. Er hat mit seinem “Sack” im Super Bowl Jalen Hurts und die Eagles nicht nur gestoppt, sondern im genau richtigen Moment unter Druck gesetzt. Wer weiß, wie das Spiel ohne seinen Sprint zur Seitenlinie ausgegangen wäre. Und Saunders war einer der ganz wichtigen Charaktere im Locker Room. Jetzt hat er seinen großen Pay Day und spielt kommende Saison bei den Saints in New Orleans.
Ein weiterer Langzeit-Chief war Safety Juan Thornhill, der 2019 gedraftet wurde und bisher seine ganze Profikarriere in Kansas City verbracht hat. Bei ihm ist der Knoten nie richtig geplatzt und das Potential, was er immer wieder gezeigt hat, ist leider nie in Vollendung sichtbar geworden. Weder regelmäßige Big Plays, noch fehlerfreie Spiele gegen tiefe Receiver waren an der Tagesordnung. Jetzt versucht Thornhill sein Glück bei den Browns.
Doch die dringendste Frage bleibt: Wieso war JuJu für einen Vertrag deutlich unter den Erwartungen der meisten Fans nicht zu halten? Bei den Patriots erhält er 33 Millionen US-Dollar maximal für drei Jahre. Wahrscheinlich sind es sogar ein paar weniger, wenn er nicht die volle Leistung abrufen kann. Das wäre eigentlich im machbaren Bereich für die Chiefs gewesen.
Wir können natürlich nur vermuten, was sich GM Brett Veach und Headcoach Andy Reid dabei gedacht haben, aber: Die Gesundheit kann eine Rolle gespielt haben, weil JuJu Smith-Schuster eigentlich nach jedem intensiven Spiel erstmal eine Pause brauchte. Seine Knie sind deutlich lädierter als es in seinem Alter als Profisportler der Fall sein sollte. Vielleicht gab es da ein klares Veto von Rick Burkholder, dem Chef der sport-medizinischen Abteilung der Chiefs.
Außerdem kann es auch sein, dass die Social-Media-Sperenzien von JuJu den Coaches mächtig auf die Nerven gegangen sind. Das ansonsten faire Duell mit den Eagles musste JuJu nach dem Sieg noch anheizen, in dem er den Verursacher der Holding-Strafe, James Bradberry, mit einer Valentinskarte verunglimpfte. Auch gewinnen muss gelernt sein. Dafür wird er intern gerügt worden sein – aufhören mit den Sticheleien wollte er aber trotzdem nicht. In einer Gehaltsverhandlung dann vielleicht das letzte Argument gegen mehr Geld.
Wer sind also die Alternativen auf der Receiver-Position?
Die Chiefs haben mit Jawaan Taylor und Charles Omenihu die jeweilige Positionsgruppe deutlich verjüngt. Veach und Reid wollen scheinbar langfristig hochwertige Lösungen für das Team finden und so die jährlichen Free-Agent-Entscheidungen reduzieren. Gerade bei den Wide Receivern sind die Chiefs mit Skyy Moore (22 Jahre alt), Kadarius Toney (24), Justyn Ross (23) und Marquez Valdes-Scantling (28) aber sehr viel jünger aufgestellt. Was fehlt sind 1-2 Veterans, die mit Erfahrung und Spielintelligenz auf dem Feld und im Training Wissen abgeben und führen. Wer sind die Kandidaten?
Odell Beckham Jr.
OBJ hat in einem privaten Training vor den Scouts verschiedener NFL-Team bewiesen, dass er wieder fit ist. Die Läufe sahen rund aus, die Catches waren clean und es ist davon auszugehen, dass Beckham im Trainingslager und in der kommenden Saison wieder voll belastbar ist. Aber: Mit zwei Kreuzbandrissen ist das Risiko einer erneuten Knieverletzung massiv. Außerdem möchte OBJ ein Premium-Gehalt einstreichen. Vor ein paar Tagen waren jährliche Summen in der Region 20 Millionen US-Dollar im Gespräch.
Das werden die Chiefs nicht machen – für einen Prove-It-Deal über zwei Jahre mit einem Gehalt von 12-14 Millionen US-Dollar könnte es aber reichen.
Wahrscheinlichkeit: 25 Prozent
DeAndre Hopkins
Nuk bzw. Dhop ist kein Free Agent, sondern weiterhin zwei Jahre bei den Arizona Cardinals unter Vertrag. Er hat sich in der letzten Woche geäußert und hätte wohl Interesse an einem Trade zu einem Titelkandidaten. In Glendale ist der Rebuild in vollem Gange, wann Kyler Murray wieder auf dem Platz stehen kann, steht in den Sternen und er hätte gern die Chance auf einen Ring als Krönung seiner Karriere. Das könnte mit den Interessen der Chiefs übereinstimmen. Das Hopkins ein Upgrade zu jedem Receiver in KC aus dem letzten Jahr wäre, zeigen seine Zahlen. In nur 553 Snaps wurde er 93 Mal angeworfen und hat 64 Bälle für 717 Yards gefangen. Dabei konnte er erst ab Spielwoche 7 ins Geschehen einsteigen. Eine ganze Saison Dhop wäre die eines Top5-Receivers in der Liga.
Aktuell würde Hopkins für zwei Jahre noch über 34 Millionen US-Dollar bekommen. Dafür wäre er ein Upgrade auf der Position. Ob den Chiefs ein Receiver neben Kelce soviel wert ist, darf bezweifelt werden. Daher könnte Dhop wohl nur kommen, wenn er auf Geld verzichtet.
Wahrscheinlichkeit: 15 Prozent
Darius Slayton
Slayton ist eine der unterschätzten Receiver in der NFL. Er hat in seinen vier Jahren bei den Giants jede Saison mindestens 13 Spiele gemacht und für über 700 Yards gefangen. Die Kombination mit Patrick Mahomes könnte für Slayton Sinn machen, um zu zeigen, dass er mehr kann als er in der letzten Saison gezeigt hat.
Die Chiefs würden Slayton wahrscheinlich einen Vertrag um die 3,5-4 Millionen US-Dollar pro Jahr anbieten. Eher zwei, als ein Jahr und mit der Chance der Liga zu zeigen, was er mit dem richtigen QB drauf hat. Das wäre ein typischer Veach-Deal!
Wahrscheinlichkeit: 35 Prozent
D.J. Chark
Chark ist in der letzten Saison bei den Detroit Lions ein bisschen hinter Amon-Ra St. Brown verschwunden, aber er hat überraschend starke 16,7 Yards pro Catch produziert und hat passt mit seiner hohen Endgeschwindigkeit in das Beuteschema von Reid und Matt Nagy. Mit dem wahrscheinlichen Abgang von Justin Watson neben MVS wäre Chark eine perfekte Ergänzung um das Feld lang zu machen.
Chark würde mehr Geld als Slayton wollen und knapp unter den 10 Millionen US-Dollar landen pro Jahr. Hier könnte ich mir sehr gut einen Einjahresvertrag im Stil von JuJu vorstellen. 8 Millionen für ein Jahr – Pay Day im Frühjahr 2024.
Wahrscheinlichkeit: 30 Prozent
Adam Thielen
Noch vor zwei Jahren war Thielen ein Top-Receiver der NFL und eine krasse Waffe. In der Offense der Vikings hat sich seitdem viel verändert. Mit Justin Jefferson ist der beste Receiver der Liga immer stärker geworden und auch K.J. Osborn hat Thielen überholt. Was hat der 32-Jährige Thielen also noch im Tank? Er glaubt daran, dass da noch eine Menge ist und wäre auf jeden Fall eine gute Ergänzung, wenn die Chiefs ihren WR1 gefunden haben.
Interesse an Thielen haben neben den Chiefs auch die Panthers & Colts – beides Teams im Aufbau mit einem voraussichtlich startenden Rookie-QB. Die Chiefs werden Thielen einen Vertrag weit unter den 12-14 Millionen US-Dollar, die er in Minnesota verdient hat. Er muss sich dann entscheiden, ob eine Chance auf den Super Bowl ihm das wert ist.
Wahrscheinlichkeit: 25 Prozent
Mecole Hardman
Wieso sollten die Chiefs nicht einfach einen bekannten Receiver zurückholen? Das hängt extrem davon ab, wie der Markt für Hardman sich gestaltet. Aktuell gibt es ein paar Teams, die noch sehr großen Bedarf an Receivern haben, wie zum Beispiel die Carolina Panthers. Wenn Hardman dort mit seinen Forderungen scheitert, könnte eine Reunion realistisch werden. Das sehe ich aber aktuell noch nicht.
Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent
Parris Campbell
Campbell ist ein großes Versprechen, das bisher nicht einmal ansatzweise eingelöst wurde. In den ersten drei Jahren in der Liga war er ständig verletzt und spielte nur 15 Matches als Starter. 2022 war er endlich gesund und produzierte Catches und Yards. Aber: Seine knapp über 6 Yards pro Catch sind ligaweit unterdurchschnittlich, seine Verletzungsanfälligkeit immer noch ein Thema und bisher konnte er seine Potential durch einen starken Antritt und eine hohe Endgeschwindigkeit auf dem Platz nur aufblitzen lassen. Klingt nach einem perfekten Patienten für das Duo Reid/Nagy.
Wenn Campbell für 2,5 Millionen US-Dollar pro Jahr in KC unterschreibt, macht der Deal für beide Seiten Sinn. Mehr Geld ist für die Chiefs dann aber zu viel Risiko.
Wahrscheinlichkeit: 15 Prozent
Ein neuer Receiver früh im Draft
Die WR-Klasse 2023 im Draft ist nicht wirklich überzeugend. Hinter Quentin Johnson und Jordan Addison, die wahrscheinlich Ende der ersten Runde schon ihr Team gefunden haben, sind Namen wie Zay Flowers oder Josh Downs im Gespräch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Chiefs erneut vor der dritten Runde bei den Receivern aktiv werden. Daher eher keine Option.
Wahrscheinlichkeit: 10 Prozent
Weitere Free-Agency-News
Orlando Brown Jr. hat ein neues Team gefunden. Für deutlich weniger Gehalt, als die Chiefs ihm noch vor einem Jahr geboten haben, wechselt der Offensive Tackle zu den Cincinnati Bengals. Jahressalär: 16 Mio. US-Dollar
Die Chiefs haben sich dafür entschieden die Restricted Free Agents QB Shane Buechele, OT Prince Tega Wanogho und Punter Tommy Townsend weiterzuverpflichten. Nur LB Darius Harris hat keinen Tender bekommen. Mit schon fünf Linebacker im Kader ist der Druck dort nicht so hoch – es kann aber gut sein, dass Brett Veach Harris für einen kleinen Vertrag für ein weiteres Jahr in den Kader beruft.
Der Vertrag von Patrick Mahomes wurde gestern Abend angepasst. Durch die Umwandlung des Roster-Bonus über 34,4 US-Dollar für 2023 in einen Signing-Bonus (verteilt die Kosten über die Restlaufzeit des Vertrages) wurden 9,6 Millionen US-Dollar im Salary Cap dieser Saison freigeschaufelt.