Wieso Andy Reid & Patrick Mahomes das Playbook wieder aufmachen können
Die dominante Leistung gegen die Raiders war der letzte Beweis, dass Patrick Mahomes wieder aus dem Vollen schöpfen kann: Durch die verschiedenen Playmaker in der Offense kann er wieder alles zeigen.
Ihr habt auf WhatsApp entschieden, welcher Artikel in dieser Woche noch zusätzlich kommt und da ich aktuell im Urlaub auf Mallorca verweile, hab ich die Zeit neben der Preview (kommt am Wochenende) und dem Abonnenten-Content (Die Trade-Optionen der Chiefs nach der Norman-Lott-Verletzung) für eine weitere Analyse genutzt. Es hat mich nicht überrascht, dass ihr gerne mehr über die neuen Wide-Receiver-Rollen und die Wirkung auf die Chiefs-Offensive hören wollt - das macht aktuell auch unfassbar viel Spaß.
Aber: Mir persönlich hat die Chiefs-Offense in dieser Saison erst Angst gemacht als sie ohne Rice & Worthy genau da weitergemacht hat, wo sie in der letzten Saison aufgehört hatte und mir dann viel Hoffnung gegeben, als sie gegen die Jaguars wieder funktional, kreativ und unglaublich effektiv aussah. Mahomes hat mit jedem Spiel mehr Vertrauen in seine Offensive Line bekommen und das ist die Basis für lange Würfe, gute Scrambles und Mahomes-Magic.
Auch in früheren Podcast-Episoden waren Marius und ich oft etwas anderer Meinung und genau diese Diskussionen hab ich immer sehr geschätzt, weil es dann eben doch mehr als eine Sichtweise auf unser Lieblingsteam gibt. Marius schreibt jede Woche einen Artikel über die Chiefs auf football-world.news (Leseempfehlung!) und hat dieses Mal die Verwandlung von Mahomes beschrieben: “Effizient statt Spektakel”. Ich hab eine etwas andere Meinung, denn ich sehe aktuell eine ganz andere Transformation in Kansas City und versuche, euch die hier etwas näher zu bringen:
Das tiefe Element: Xavier Worthy, Tyquon Thornton und Hollywood Brown
Unser Headcoach Andy Reid ist traditionell Anhänger der West Coach Offense, die mit kurzen, präzisen Pässen arbeitet und eine hohe Chemie zwischen Quarterback und Receivern erfordert. Sie funktioniert dann besonders gut, wenn die Passempfänger nach dem Catch noch einige Yards erlaufen. In der Vergangenheit hat Reid diese in den 80er Jahren vom früheren 49ers-Headcoach Bill Walsh entwickelte Offensivstrategie mit zwei wichtigen Elementen ergänzt: ein super kreatives Screen-Game mit Receiving Backs, Slot-Receivern und Tight Ends und pfeilschnelle Receiver, die das Feld lang machen und für Platz schaffen.
Seit dem Abgang von Tyreek Hill im März 2022 schaffte kein Wide Receiver bei den Chiefs die durchgängige Gefahrt, die Mahomes & Hill über Jahre ausgestrahlt haben. Viele Defenses haben sich damals mit zwei tiefen Safeties verteidigt und konnten nur so die spektakulären Plays einigermaßen in den Griff bekommen. Justin Watson, Mecole Hardman, Marquez Valdes-Scantling - drei Namen, die immer wieder auf die tiefe Reise geschickt wurden, aber nicht effektiv genug waren, um den Hill-Effekt für die Chiefs-Offense auszulösen.
Was meine ich mit dem Hill-Effekt? Es geht darum, dass die Defensive nicht nur zwei Safeties, sondern oft mit einem weiteren Cornerback mindestens drei der elf Verteidiger bei einem schnellen Receiver “parkt” und so der Raum an der Line of Scrimmage oder der Slot deutlich aufgeräumter werden, weil bei einem 4-Mann-Rush nur noch vier weitere Verteidiger (meist Linebacker und Cornerbacks) den Rest des Feldes verteidigen. So kann Andy Reid mit Routen Seperation und Miss-Matches kreieren und einfache First-Downs am Klemmbrett entwickeln.
Durch die Geschwindigkeit von Xavier Worthy, Tyquan Thornton und auch Hollywood Brown haben die Chiefs dieses Element wieder und wenn die Gegner es nicht respektieren, wirft Mahomes den Ball tief und ist damit erfolgreich. Auch wenn das nicht immer klappt, passieren zumindest keine großen Fehler (nur zwei Interceptions in sieben Spielen) und die Quote wird mit mehr Chemie im Laufe der Saison steigen - da bin ich mir sehr sicher.
Das kreative Screen-Game: Rashee Rice, Brashard Smith und die Andy-Reid-Masterclass
Aber nur die tiefe Option zu etablieren, reicht nicht um erfolgreich zu sein. Das hat man gerade in der Saison 2021 gesehen als Tyreek Hill jedes Spiel etwa 30x den Platz runtergelaufen ist und trotzdem wenig Optionen eröffnet hat. Denn es braucht noch mehr. Und das hatten die Chiefs ironischerweise genau in dem Jahr indem Hill zu den Dolphins gewechselt ist. Mit Jerick McKinnon erwachte das Screen-Game von Andy Reid zu altem Glanz.
In den Anfangsjahren bei den Chiefs hatte er mit Jamaal Charles, später mit Damien Williams oder auch Kareem Hunt sehr kreativ Spieler an oder sogar hinter der Line of Scrimmage angespielt und diese dann durch blockende Tight Ends, kreative Receiver-Routen, die die Verteidigung irrierten oder fuchsteufelwilde O-Line-Spieler immer wieder zu großen Raumgewinnen geführt. Doch nach dem ersten Super-Bowl-Sieg in Miami 2020 fehlte das Screen-Game bei den Chiefs und die letzte Saison war der Tiefpunkt.
Nur knapp 12 Prozent der Plays der Chiefs waren nur noch Screens - in den Jahren zuvor nahm das Play eine deutlich größere und kreativere Rolle ein, aber es fehlten einfach die Playmaker. Mecole Hardman oder Kardarius Toney hatten zwar das Potential genau solche Plays umzusetzen, aber Flutschfinger, Verletzungen oder Fumbleritis sorgten dafür, dass es nicht funktionierte.
Jetzt hat Andy Reid plötzlich zwei Traumtypen für sein Screen-Game gefunden: Rashee Rice ist unglaublich effektiv nach dem Catch und lässt Verteidiger aussteigen, erkennt Lücken und hat keine Angst vor dem Kontakt. Mit seiner stämmigen Körperform ist er in der Lage genau die Räume einzunehmen, die Andy Reid braucht, damit die gegnerische Defense Angst hat zu weit weg zu stehen und so mit einem simplen 4-6 Yards-Pass zur Seite gleich wieder ein First Down zu erlauben.
Das wäre für Gegner schon ein Problem genug, wenn da nicht noch dieser Siebtrundenpick von SMU wäre, der zuvor im College als Wide Receiver gespielt hatte und dann zum Running Back umschulte. Perfekter könnte ein Spielertyp gar nicht zum Screen-Game von Andy Reid passen als Brashard Smith, der sichere Hände aus seiner Zeit als Passempfänger hat und gleichzeitig das Auge, die Geschwindigkeit und die Oberschenkel, um sich als Running Back für 4-5 weitere Yards durchzusetzen. Und das nutzt Andy Reid aus:
Smith zeigt erstmal an, dass er den Verteidiger blocken würde und wartet dann auf den Pass von Mahomes. Der Receiver auf der linken Seite der Offense zieht den Cornerback und Linebacker erst mit nach hinten, was Smith locker 5-8 Yards schenkt. Ohne gegnerischen Kontakt oder große Herausforderungen. Und weil dann noch ein Großteil der Offensive Line vor Smith stehen, schafft er bis zum First Down.
Ich glaube wir werden von Brashard Smith in den nächsten Monaten noch viele Aktionen sehen. Erinnert ihr euch noch an den Touchdown-Run (9 Stück) von McKinnon? So könnte es mit Brashard Smith auch in der Red Zone funktionieren - wenn da nicht so viele andere Playmaker bei den Chiefs wären.
Die Magie in der Mitte: Viel Platz für Rice, Kelce, Brown & JuJu
Wenn die gegnerische Defensive durch Speedster in der Tiefe und kreative Plays an der Line of Scrimmage herausgefordert wird, entsteht die wirkliche Magie des Offensiv-Genies Andy Reid. Er kann jetzt den Raum dazwischen nutzen und hat dafür einige Waffen. Rashee Rice ist nicht nur im Screen-Game im Einsatz, sondern natürlich auch als Slot-Receiver, der perfekt in das Spielkonzept des West Coach Offense passt: er läuft starke Routen, hat eine gute Chemie mit Mahomes und legt erst richtig los, wenn er den Ball gefangen hat.
Daher dreht sich jetzt und in den nächsten Monaten auch alles um die Effektivität von Rice. Er ist der legitime Nachfolger von Travis Kelce, weil er eine ganz ähnliche Rolle wie der Tight End einnehmen kann. Er ist körperlich so stark, dass er blocken kann, wenn es nötig ist, spürt die offenen Räume in der Zonen-Verteidigun (Raumdeckung) auf und ist schnell genug, um gegen die Linebacker im Slot ein böses Missmatch zu sein.
Und dann sind da auch noch Kelce, der wieder mehr der Alte ist, nachdem er in der letzten Saison körperlich nicht an seinem Limit war, sondern vielleicht ein paar Nächte zu viel mit Podcast, Saturday Night Live und Taylor-Tour verbracht hatte und JuJu Smith-Schuster, dessen Knieprobleme aus der Zeit bei den Patriots scheinbar wie weggeblasen sind. Aber auch Hollywood Brown lässt sich oft in die Räume fallen und kann dort seine Geschwindigkeit ausnutzen - ich hatte mir von Brown noch mehr erhofft, aber aktuell kann er als WR3 richtig effektiv sein.
Die Scramble-Maschine Mahomes
Und wenn keiner der Playmaker offen ist, kann Mahomes auch wieder selbst aktiv werden. Nachdem die schwache O-Line ihm im letzten Jahr jeden Spaß genommen hat und er wusste, dass er nur durch schnelle Pässe mit den Chiefs über den Platz marschieren konnte, darf er jetzt wieder mit etwas mehr Zeit kreativ werden.
So ist er gegen die Raiders z.B. bei dem Big-Play auf Kelce im ersten Viertel bei First Down & 20 Yards einfach mal 3-4 Schritte aus der sicheren Pocket nach vorne gelaufen, um die Verteidiger zu sich zu locken und dann seinen Lieblingsreceiver völlig frei anzuspielen. Ohne diesen Mahomes-Move wäre Kelce nicht frei gewesen und das Play deutlich schwieriger.
Man merkt Mahomes an, dass ihn die neuen Optionen und diese potente Offense wieder sehr viel Spaß bringt und er dann auch wieder mehr Risiko gehen kann, selbst das Spiel dominiert und im Prinzip auch wieder Fehler machen darf, weil zum ersten Mal auch die Defense etwas kann, wenn die Offense brummt. Das ist ein Novum und da bin ich dann auch wieder bei Marius: Das ist das kompletteste Chiefs-Team seit 2019.
Jetzt kann Andy Reid das Playbook öffnen
Es wird hochspannend, wie Teams wie Dauerkonkurrent Buffalo Bills, die erstarkten Indianapolis Colts oder die bärenstarke Defense der Denver Broncos mit dieser neuen Chiefs-Offensive umgehen. Schaffen sie es mit “leichter Box” und 4-Mann-Rush das Screen Game auszuschalten und wie bekommen sie es hin die Tiefe der Speedster aus dem Spiel zu nehmen?
Eigentlich kann das nur funktionieren, wenn die Gegner unsere Offensive Line unter Druck setzen. Aber das sieht gerade durch die starken Auftritt von Josh Simmons und Jaylon Moore und die deutlich disziplinierteren Spiele von Jawaan Taylor richtig gut aus. Das wird immer die Basis für die komplexeren Playcalls von Reid sein. Dafür brauchen er und Mahomes etwas mehr Zeit.
Und dann bin ich mir ziemlich sicher, dass wir auch wieder deutlich unterhaltsamere, überraschendere und krassere Plays sehen, die Gegner zermürben und das Arrowhead Stadium zum Beben bringen.
Freut ihr euch, genauso wie ich, auf die kommenden Wochen?







Danke Daniel, dass du uns in deinem Urlaub dennoch mit spannenden Infos versorgt. Hab eine schöne Zeit!
Danke dass du dir im Urlaub Zeit nimmst, habe eine schöne Zeit.
Ich freue mich extrem auf die kommenden Wochen und finde, dass die Bye Week perfekt kommt.
Ich hätte aber gegen einen neuen RB, Trade, auch nichts, das würde die Offense nochmal stark anheben.
GoChiefs!❤️