Wird Justyn Ross ein NFL-Superstar?
Am Sonntag treffen die Chiefs im ersten Preseason-Spiel auf die Saints. Für einen Spieler wird es nicht nur das NFL-Debüt, sondern auch ein Moment, der zeitweise unmöglich schien: Justyn Ross!
Der Hypetrain um Justyn Ross hat scheinbar keine Bremsen. Jeden Tag im Trainingscamp zeigte er mit spektakulären Catches, welches Potential in ihm schlummert. Das Justyn Ross schon mal im College gezeigt hat, dass er das Zeug hat ein Top-Receiver zu sein, wissen die meisten. Das dann Verletzungen die Karriere bedroht haben, ist auch bekannt. Doch was genau Justyn Ross erlebt hat, wieso diese Chance unfassbar ist und wieso er gerade bei den Chiefs gelandet ist, das erfahrt ihr in diesem Text.
Justyn Ross ist am 15. Dezember 1999 und damit noch gerade im letzten Jahrtausend geboren und wuchs in Phenix City in Alabama im Süden der USA auf. Die Krankheit, die ihm später massive Probleme in seiner Sportlerkarriere bringen sollte, hatte er von Geburt an. Nur wusste er selbst bis zu einer Verletzung im College nichts davon.
Ein bärenstarker Start im College
Im Frühjahr 2020 war Justyn Ross kein Unbekannter mehr. Er hatte sich durch starke Leistungen auf der Highschool als ein Top-Kandidat für die höchste College-Liga, die Division I, empfohlen und sich für die Clemson Tigers entschieden. Dort konnte er mit unfassbaren 301 Receiving-Yards und gleich vier Touchdowns in zwei Spielen gegen die Top-Colleges Alabama und Notre Dame als Freshman sein Talent zeigen. Im zweiten Jahr an der Universität dann der endgültige Durchbruch: 865 Receiving-Yards and acht Touchdowns und der Weg in die NFL schien nur noch Formsache.
Doch dann wurde Ross von einem Mitspieler im Training getackled und blieb erstmal liegen. Seine Arme fühlten sich taub an und er spürte ein Kribbeln. Sowas kannte er schon nach einem harten Hit - die Amerikaner nennen so eine nervliche Reaktion des Körpers nach z.B. einer Prellung Stinger. Das passiert schon mal im Football nach einer harten Kollision. Dachte zumindest Justyn Ross…
Die niederschmetternde Diagnose
Doch die Ärzte an seiner Uni ließen ihn so schnell nicht wieder auf den Platz und checkten seinen Nacken im MRT. Das Resultat: Nicht die Prellung oder der Hit waren das Problem, sondern eine angeborene Anomalie der Wirbelsäule. Das diagnostizierte Klippel-Feil-Syndrom tritt auf, wenn mindestens zwei Wirbel fusioniert, also zusammengewachsen sind. Der Rat bei Ärzten mit dieser Fehlbildung: Kein Sport, kein Risiko einer Verletzung im Nackenbereich. Football geht so eigentlich nicht mehr.
Für Justyn Ross ein riesiger Schock. Jeder Hit in den letzten 15 Jahren seiner Football-Karriere hätte das Lebensende bedeuten oder ihn komplett lähmen können. Er hatte ein unglaubliches Glück, dass bis zum Tackle nichts schlimmeres passiert ist. An eine Fortsetzung der Sport-Karriere war aber laut der College-Ärzte nicht zu denken. Mit dem Anfang der Corona-Pandemie entschied sich Ross weiter zu trainieren und auf eine Fehldiagnose oder ein Wunder zu hoffen. Doch kein Coach oder Arzt in den nächsten Monaten gab ihm die Freigabe wieder eine Football-Uniform anzuziehen.
Die Rettung kommt aus Pittsburgh
Seine Rettung war ein für NFL-Fans bekannter Neuro-Chirurg, der gleichzeitig auch für die Pittsburgh Steelers arbeitete: Dr. David Okonkwo. Der hatte 2017 den Steelers-Linebacker Ryan Shazier nach einem brutalen Hit auf dem Feld an der Wirbelsäule operiert und ihn dadurch zwar nicht den Weg zurück in den Leistungssport ermöglicht, aber dafür gesorgt, dass Shazier wieder laufen konnte und nicht sein Leben lang an einen Rollstuhl gefesselt war. Jetzt sollte er Ross Karriere eine letzte Chance geben.
Die Operation ersetzte eine Wirbel mit einem künstlichen Transplantat – eigentlich eine Routine-OP für den Spezialisten. Bisher hatte er sie aber nie bei einem Patienten mit der Diagnose durchgeführt und konnte dementsprechend nicht einschätzen, ob Justyn Ross danach wieder sicher Football spielen könnte. Alle anderen Optionen hätte eine Fortsetzung der aktiven Karriere definitiv beendet.
Der Erfolg der OP? Eine “Perfect Season”
Nur einige Wochen später untersuchte Okonkwo seinen Patienten und sprach mit dem Clemson-Headcoach Dabo Swinney über den Erfolg. Es war nicht nur eine “Winning Season, sondern ein 15-0-Durchmarsch”. Doch damit Ross wieder Football spielen konnte, mussten die Knochen um den Wirbel heilen und die Muskeln gestärkt werden. Für Monate trug Ross jeden Tag eine Kette mit einem elektromagnetischen Feld, dass das Knochenwachstum stärken sollte. Mit Erfolg!
Im Frühjahr 2021 durfte Ross zum ersten Mal wieder aufs Feld. Zwar noch ohne Kollisionen und Tackles, aber wieder Bälle fangen und Routen laufen. Bevor er auch wieder voll einsteigen durfte, wurden von den Ärzten in Pittsburgh und Clemson verschiedene Tests gemacht. Sein Chirurg traute ihm zu wieder zu spielen, andere Ärzte waren kritischer. Am Ende entschied Ross selbst und wollte es allen nochmal beweisen.
Das Drama um Ross geht weiter
Als Justyn Ross dann zum ersten Mal wieder mit seinem Mitspielern auf den Platz sollte, der nächste Schock: Er war Corona-positiv und musste die kommenden zwei Wochen aussetzen. Der Virus sorgte dafür, dass Ross knapp 7kg Körpergewicht verlor und außer Form war. Trotzdem wollte er zum Saisonstart gegen die Georgia Bulldogs fit werden und stürzte sich ins Training. Die Folge: eine Stressfraktur im linken Fuß. Justyn Ross war ein wandelnder Pechvogel. Immer wenn es wieder etwas besser aussah, kam ein neues Drama um die Ecke.
Damit er sich in seinem letzten College-Jahr trotzdem für die NFL empfehlen könnte, verzichtete Ross auf eine OP und versuchte mit der Verletzung zu spielen. Seine Coaches mussten den geschwollenen Fuß vor jedem Spiel tapen, damit er überhaupt auftreten konnte. Nicht ideal, aber Ross hatte ein großes Ziel. Der NFL Draft im April 2022. Nach zehn Spielen akzeptierte er aber, dass es ohne ein OP nicht funktionieren würde und beendete seine College-Karriere mit 46 Catches, 514 Yards und drei Touchdowns. Nicht so beeindruckend, wie in seiner ersten Saison, aber trotzdem Bestwerte im Team der Clemson Tigers.
Weiter fest im Blick: Profi in der NFL
Für Justyn Ross hatte die Vorbereitung auf den NFL Draft die höchste Priorität. Mit einem professionellen Team und mehreren Bootcamps bereitete er sich auf den Clemson Pro-Day vor – der war knapp einen Monat nach dem offiziellen NFL Combine und erlaubte ihm mehr Zeit zur Vorbereitung. Top-Werte im 40 Yard Dash und die kurzen Shuttle-Runs sollten die Chancen auf einen Pick an Tag 3 des Drafts erhöhen. Doch mit nur 4.64 Sekunden auf den 40 Yards schaffte er keine Wow-Zeit, sondern für Receiver nur einen eher unterdurchschnittlichen Wert. Fazit auf der Draft-Analyse-Plattform: Very poor.
Doch was sagten die NFL-Teams zu Justyn Ross? Sahen sie das Potential der frühen College-Jahre oder doch die Gefahr nach den vielen medizinischen Problemen? Nur vier medizinische Abteilungen gaben ihren Teams grünes Licht. Nicht nur die unsichere Situation mit seiner Wirbelsäule schreckte sie ab, sondern auch der scheinbar nicht 100 Prozent geheilte Fuß, der keine volle Belastung erlaubte. Das Risiko eines Busts war im Draft einfach zu groß
Die Chiefs als letzte Chance?
Für die Chiefs aber war Justyn Ross im Anschluss an den Draft eine riesige Chance. Sein Speed, die Dominanz beim Catch und das Potential des Athleten waren für Andy Reid und sein Team unfassbar spannend. Ross unterschrieb als Undrafted Free Agent einen Vertrag über drei Jahre und 2,56 Millionen US-Dollar. Ohne jegliche Garantien. Da es im Prinzip keine Konkurrenz gab, konnte das Team ohne Risiko dem großen Talent Ross einfach eine Chance geben.
Doch schon nach einigen Trainingseinheiten merkten die Chiefs, dass der Fuß alles andere als gesund war. Daher entschied man sich zusammen mit dem Spieler für eine weitere OP und ein Aussetzen der Saison. Auf der IR konnte Ross sich optimal auf das Playbook, die Team-Mentalität und seine Mitspieler einlassen und im zweiten Jahr hoffentlich gesund und topfit seinen Traum NFL weiterverfolgen. Und gewann als inaktiver Spieler mit den Chiefs im Februar 2023 schonmal seinen ersten Super-Bowl-Ring.
Eine echte Chance im zweiten Jahr?
Für Justyn Ross startete das Frühjahr mit dem Rookie-Minicamp, den OTAs und freiwilligen Workouts – und stach direkt heraus. Er war endlich wieder vollständig gesund und konnte seine Geschwindigkeit, Sprungkraft und Explosivität im Zusammenspiel mit Patrick Mahomes endlich zeigen. Bisher aber nur im Training.
Am 13. August um 19 Uhr deutscher Zeit startet dann das erste echte Football-Spiel seit knapp zwei Jahren für Justyn Ross und die Anzahl an prominenter Anhänger ist beeindruckend. Fast jeder in der NFL gönnt dem dauerverletzten Pechvogel den fast unglaublichen Sprung in die NFL. Wenn das klappt, könnte Justyn Ross einer der emotionalsten Storys der aktuellen Saison werden und den Chiefs helfen den Titel im Februar zu verteidigen. Doch dafür muss er erstmal die ersten Tackles “überleben”. Da wird seine Mutter Franklin jedes Mal feiern, wenn er wieder aufsteht.
Sein früherer Clemson-Receiver-Kollege Tee Higgins war schon im letzten Jahr begeistert von Ross:
Und sein früherer Quarterback Trevor Lawrence ist beeindruckt von seinen Leistungen im Chiefs-Camp:
Meine Meinung
Für mich ganz persönlich wird das Preseason-Spiel am Sonntag gegen die Saints zu den Justyn-Ross-Festspielen. Wie toll ist es, dass der bittere medizinische Verlauf in dieser Saison zu einem Wunder-Comeback werden könnte. Und zwar nicht nur für Justyn Ross, sondern auch für das Team, das an ihn geglaubt hat. Unsere Chiefs können den Spielertypen unglaublich gut gebrauchen.
Er ist der perfekte X-Receiver, der sich an der Außenlinie durch Antritt, gute Routes und Separation gegen die körperlich besten Verteidiger durchsetzen kann. Wie gerne würde ich mir begeistert zum Frankfurt-Spiel im November das Trikot mit der #8 kaufen!
Danke .. ich bin auf jeden Fall "gehyped" was JR betrifft und hoffe das er den Sprung schafft und zu einem Difference-Maker in der Chiefs-Offense avanciert.
Super Newsletter wie immer. Nach Podcast und jetzt Newsletter müsste ich gleich Justyn Ross in mein Football Fantasy Team stellen